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Vom Verschwinden
Installation für eine Wiese. 2021/22
25.6. Festival Klanglandschaften Neue Musik und Natur
Mühlenbeck, Wiese im Parkgelände Berufsförderungswerk

Eine Wiese wird von vielen Tierarten bevölkert - vor allem von Insekten, die eine unersetzliche Rolle für die Aufrechterhaltung ökologischer Zusammenhänge spielen. Doch seit Jahrzehnten gehen Insektenarten und ihre Bestände massiv zurück - seit 1989 um bis zu 80%. Gründe dafür liegen in der Versiegelung durch Straßen, Siedlungen, Gewerbe und Industrie, in immer intensiverer landwirtschaftlicher Bewirtschaftung auf immer größeren Flächen, in dem Einsatz von Pestiziden, schädlicher Nährstoffanreicherung, in giftigen Rückständen in Böden, in klimatischen Veränderungen...

Heuschrecken und Grillen, Zikaden, Bienen, Hummeln, Ameisen und Käfer, Schmetterlinge, Libellen, Fliegen, Mücken und Ameisen - in dieser Installation erklingen Töne von Insekten aus verschiedenen Klangarchiven. Die Klänge wurden in erster Linie zu wissenschaftlichen Zwecken aufgenommen (u.a. mindestens eine Aufnahme aus dem Tierstimmenarchiv des Naturkundemuseums Berlin, die vor 30, 40 Jahren in der Mühlenbecker Gegend gemacht wurde); sie sind von unterschiedlicher Qualität, man hört das Rauschen der Landschaft oder des Aufnahmeequipments, teilweise wurden die Tiere auch 'in Gefangenschaft', d.h. im Labor aufgenommen.

Sirren, Brummen, rhythmisches Pulsen oder Klopfen: die Insekten erzeugen ihre Klänge auf vielfältige Weise, über Stridulation, Bewegungen einzelner Körperteile, oder durch ihre Flügelschläge. Über die Aufnahmen und die elektronische Wiedergabe werden die Sounds dieser Kleinstlebewesen vergrößert, wie unter einer akustischen Lupe. Elektronische Transformationen verdichten und verfremden die Klänge (und sie sind dabei nicht immer nur 'schön', sondern spiegeln Ausdrucksvarianten: wir müssen davon ausgehen, dass Insekten wie andere Tiere mit ihren Lauten eben auch Alarm oder Stress artikulieren).

Die elektronischen Verwandlungen unterstreichen die Nähe und Verwandtschaft von Insektentönen und deren Mechanismen der Lautproduktion zu elektronischer, gerade auch zu digitaler Klangerzeugung - beide entstehen aus elementaren Klangeinheiten - Schallwellen oder grains, die sich über Bewegung (Frequenz) und Überlagerung verdichten und anreichern.

Wohin entschwinden die Lebewesen der Wiese? Nach oben, nach unten, zum Himmel, zur Erde? Werden neue Arten entstehen? Die Komposition mit den Insektenklängen soll auch ein spekulatives, imaginatives Hören von Verschwinden und Verwandeln zum Ausdruck bringen.

Entwicklung / Programmierung Multikanal-Funksteuerung: Georg Werner


Aufnahme Installation Mühlenbeck, 25.6.2022, Ausschnitte